Die Falle des Gefallens: Das Phänomen People Pleasing

In unserer Gesellschaft wird oft der Wert der Höflichkeit und des sozialen Zusammenhalts betont. Es ist wichtig respektvoll mit anderen umzugehen und ihre Bedürfnisse zu berücksichtigen. Doch was passiert, wenn wir zu weit gehen und unsere eigenen Wünsche und Grenzen opfern, um es anderen Recht zu machen? Das Phänomen des People Pleasings kann weitreichende Konsequenzen für unser Wohlbefinden und unsere mentale Gesundheit haben.

Was ist People Pleasing?

People Pleasing ist ein Verhaltensmuster, bei dem Menschen übermäßig bestrebt sind es anderen recht zu machen, um Zustimmung, Anerkennung oder Akzeptanz zu erhalten. Typisch für sogenannte People Pleaser ist Folgendes:

Angst vor Ablehnung: Menschen, die zum People Pleasing neigen, haben oft Sorge vor der Zurückweisung durch andere. Diese Furcht kann dazu führen, dass sie sich übermäßig anstrengen um gemocht zu werden.

Schwierigkeiten „Nein“ zu sagen: People Pleaser tun sich schwer damit negative Antworten zu geben. Sie sagen eher zu, selbst wenn es für sie unangenehm oder belastend ist, als „Nein“ zu sagen und das Risiko einzugehen andere zu enttäuschen.

Selbstverleugnung: Der Drang, es anderen recht zu machen, kann dazu führen, dass die eigenen Bedürfnisse und Wünsche vernachlässigt werden. People Pleaser setzen die Zufriedenheit anderer oft über ihre eigene.

Übermäßige Anpassung: Menschen, die People Pleasing betreiben, passen sich übermäßig an die Erwartungen und Bedürfnisse anderer an, selbst wenn dies ihren eigenen Überzeugungen oder Interessen widerspricht.

Geringes Selbstwertgefühl: Ein niedriges Selbstwertgefühl kann dazu führen, dass Menschen vermehrt versuchen ihre Selbstachtung durch die Zustimmung anderer zu steigern. Die Bestätigung von außen wird dann zum Maßstab für den eigenen Selbstwert.

Es ist wichtig zu betonen, dass Höflichkeit, Rücksichtnahme und die Berücksichtigung der Wünsche anderer positive Eigenschaften sind. Das Problem entsteht erst, wenn das Bedürfnis, es anderen recht zu machen, zu einer übermäßigen Selbstaufgabe führt und die eigene Lebensqualität negativ beeinflusst.

Selbstverleugnung und psychische Erkrankungen

So angenehm es auch für das Umfeld erscheinen mag, People Pleasing hat aus folgenden Gründen langfristige negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von Betroffenen:

Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse – Auf lange Sicht kann Selbstverleugnung zu einem Gefühl der Unzufriedenheit und Frustration führen sowie das Risiko für einen Burnout erhöhen.

Angst und Stress – Die ständige Angst vor Ablehnung oder Enttäuschung bringt auch chronischen Stress mit sich. Übermäßiger Stress ist mit verschiedenen psychischen Gesundheitsproblemen verbunden, unter anderem mit Schlafstörungen.

Geringes Selbstwertgefühl – Menschen, die People Pleasing praktizieren neigen dazu, ihr Selbstwertgefühl stark von der Meinung anderer abhängig zu machen. Wenn die externe Bestätigung ausbleibt oder nicht ausreicht, kann dies zu einem negativen Selbstbild führen, was wiederum das Risiko für psychische Erkrankungen, wie Depressionen und Angststörungen erhöht.

Identitätsverlust – Die übermäßige Anpassung an die Erwartungen anderer kann dazu führen, dass die eigene Identität verloren geht. Menschen, die ständig versuchen es anderen Recht zu machen, wissen möglicherweise nicht mehr, wer sie wirklich sind. Dieser Identitätsverlust ist mit einem erhöhten Risiko von Lebenskrisen und Anpassungsstörungen.

Um psychischen Erkrankungen vorzubeugen, ist es wichtig ein gesundes Gleichgewicht zwischen der Berücksichtigung der Bedürfnisse anderer und der Wahrung der eigenen Grenzen zu finden. Die Entwicklung von Selbstbewusstsein, Selbstfürsorge und die Fähigkeit „Nein“ zu sagen sind wichtige Schritte zur Förderung der psychischen Gesundheit.

Authentizität und Beziehungen

People Pleasing hat aus mehreren Gründen negative Auswirkungen auf tiefe zwischenmenschliche Verbindungen. Zuerst basieren echte Beziehungen auf Authentizität und gegenseitigem Verständnis. Wenn jemand ständig versucht es anderen recht zu machen, neigt er dazu, seine wahre Persönlichkeit zu verbergen oder zu unterdrücken. Weiterhin kann durch People Pleasing eine ungesunde Abhängigkeit von der Zustimmung und Akzeptanz anderer entstehen. Die Beziehung wird auf dieser Abhängigkeit aufgebaut, anstatt auf Gleichberechtigung. Betroffene meiden häufig Konflikte und unangenehme Gespräche, was dazu führt, dass wichtige Themen vermieden werden, die für das Wachstum einer Beziehung notwendig sind. Zuletzt neigen People Pleaser dazu ihre Erwartungen an das Gegenüber nicht klar zu kommunizieren. Dies kann zu Frustration und Enttäuschung führen, wenn der Beziehungspartner nicht intuitiv errät, was sich erhofft wird.

Grenzen setzen und Selbstachtung bewahren

Finden Sie sich in einigen oben genannten Aspekten wieder? Dann sind Sie vermutlich auch dem People Pleasing verfallen! Das Überwinden von People Pleasing erfordert bewusste Anstrengungen und die Entwicklung gesunder Verhaltensmuster. Es folgen einige Schritte, die Ihnen dabei helfen können:

Selbstreflexion:

Beginnen Sie damit sich selbst zu reflektieren und die Gründe für Ihr People Pleasing zu verstehen. Fragen Sie sich, warum es Ihnen so wichtig ist, es anderen recht zu machen und welche Ängste oder Überzeugungen dahinter stehen könnten.

Klare Grenzen setzen:

Lernen Sie klare Grenzen zu setzen und diese zu kommunizieren. Dies beinhaltet das Erlernen der Kunst des „Nein“-Sagens. Es ist wichtig zu erkennen, dass es in Ordnung ist Grenzen zu haben und dass dies notwendig ist, um die eigene Integrität zu bewahren.

Selbstwert stärken:

Arbeiten Sie an Ihrem Selbstbewusstsein. Erkennen Sie Ihre Stärken und bewerten Sie sich nicht ausschließlich durch die Meinung anderer. Selbstliebe und Selbstfürsorge sind entscheidend, um die Abhängigkeit von externer Zustimmung zu verringern.

Achtsamkeit üben:

Fragen Sie sich regelmäßig was Sie wirklich fühlen. Achtsamkeit kann helfen im Moment zu bleiben und bewusste Entscheidungen zu treffen.

Lernen mit Konflikten umzugehen:

Konflikte sind ein natürlicher Bestandteil jeder Beziehung. Lernen Sie Unstimmigkeiten anzusprechen und konstruktiv zu bewältigen. Vermeidung führt in der Regel zu ungelösten Problemen und Spannungen.

Unterstützung suchen:

Es kann hilfreich sein professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, insbesondere wenn People Pleasing tieferliegende Ursachen hat oder zu schwerwiegenderen Problemen führt. Ein Therapeut kann unterstützen die zugrunde liegenden Muster zu verstehen und gesündere Verhaltensweisen zu entwickeln.

Erfolge feiern:

Erkennen Sie Ihre Fortschritte an und feiern Sie diese. Es ist wichtig, nicht zu hart mit sich selbst zu sein und kleine Erfolge zu würdigen. Der Weg zur Überwindung von People Pleasing kann lang sein, aber jede positive Veränderung ist ein Schritt in die richtige Richtung!

Quellenangaben
  • Bossmann, U. (2023). People Pleasing: Raus aus der Harmoniefalle und weg mit dem schlechten Gewissen. Julius Beltz GmbH & Company KG, Weinheim.
  • Möller, H. J., Laux, G. & Kapfhammer, H. P. (2018). Psychiatrie, Psychosomatik, Psychotherapie. Springer, Berlin Heidelberg.
Vanessa Graßnickel
Chefärztin, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Vanessa Graßnickel
Dr. med. Vanessa Graßnickel ist eine anerkannte Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Nach langjähriger Tätigkeit als Oberärztin übernahm sie 2024 die Position als Chefärztin der LIMES Schlossklinik Fürstenhof in Bad Brückenau. Dr. Graßnickel spezialisiert sich auf verhaltenstherapeutisch basierte Behandlungen und Suchtmedizin, fundiert durch ihr Medizinstudium an der Ruhr-Universität Bochum und einer umfangreichen fachärztlichen Ausbildung an der Universitätsklinik für Psychiatrie in Bochum. In ihrer Rolle als Chefärztin verbindet Dr. Graßnickel modernste diagnostische und therapeutische Methoden mit einer empathischen, respektvollen Patientenbetreuung sowie maßgeschneiderten Therapieplänen.

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