Angst, Wut und Trauer – wie negative Gefühle unsere Gesundheit beeinflussen

Wir alle haben sie – Erinnerungen in unserem Leben, an die wir am liebsten nie wieder denken möchten und die wir gerne ganz weit wegsperren würden. Grund dafür sind meist die damit verknüpften schmerzhaften und unerträglichen Gefühle. Diese Gefühle zu unterdrücken ist grundsätzlich möglich und für gewisse Lebensphasen eine wichtige Überlebensstrategie, langfristig verschwinden sie jedoch nicht. Obwohl der Prozess des Unterdrückens häufig unbewusst abläuft, erfordert er enormen Energieaufwand und kann der psychischen Gesundheit langfristig schaden.

Was sind überhaupt Gefühle?

Gefühle sind subjektive Zustände, die immer dann entstehen, wenn unsere Gedanken mit unserer Umwelt bewusst wie auch unbewusst in Interaktion treten. Sie werden durch unsere Interpretation erzeugt und setzen uns ganz individuell mit anderen Menschen in Beziehungen. Mit Hilfe unserer Gefühle haben wir dann die Möglichkeit uns in andere hineinzuversetzen und ihre Bedürfnisse zu verstehen. Ebenfalls bieten sie uns einen Zugang zu uns selbst, indem sie uns auf innere Spannungszustände und unerfüllte Bedürfnisse hinweisen. Die neuronale Basis für Gefühle bietet das limbische System, das Gefühlszentrum im Gehirn. Es ist eng vernetzt mit weiteren Hirnarealen, die dann Einfluss auf unser Verhalten nehmen.

Warum und mit welchen Strategien können Gefühle unterdrückt werden?

Die Gründe, warum Gefühle unterdrückt werden, können sehr vielfältig sein. Glaubenssätze wie: „Gefühle zeugen von Schwäche“, „Wütend sein gehört sich nicht“ oder „Männer dürfen nicht weinen“, können ihren Ursprung bereits in der Kindheit haben. Das Wegschieben von unangenehmen Gefühlen kann jedoch auch ein Schutzmechanismus sein, um das seelische Überleben zu sichern. Traumatische Erlebnisse, die unverarbeitet bleiben, sind dafür ein sehr populäres Beispiel. Obwohl die Strategien zum Unterdrücken von negativen Gefühlen sehr individuell sein können, lassen sie sich grundlegend in zwei Gruppen unterteilen:

Ablenkung: Indem ein Gefühl bewertet, hinterfragt und rational eingeordnet wird, erhält unser Verstand die Oberhand. Infolgedessen kann das Gefühl leichter weggedrückt und als irrelevant oder lächerlich abgetan werden. Der Verstand kann prima auf etwas anderes, als das Fühlen des Gefühls, gelenkt werden. Fernsehen, Internetnutzung, exzessives Ausgehen oder Arbeiten stellen einige klassische Erscheinungsbilder dar. In Folge all dessen bleiben weder Raum und noch Zeit sich den Gefühlen zu widmen.

Betäubung: Klassische Betäubungsmechanismen stellen neben Drogen wie Alkohol oder Nikotin, übermäßiges Essen und der Drang nach immer neuen Erlebnissen dar. Oft treten diese Mechanismen schon ein, bevor das negative Gefühl überhaupt bewusst wahrgenommen wird.

Welche negativen Gefühle wollen nicht gefühlt werden?

Es existiert eine Reihe negativer Gefühle, die wir unterdrücken können – unter anderem:

  • Angst
  • Wut
  • Neid
  • Enttäuschung
  • Eifersucht
  • Trauer
  • Liebeskummer
  • Aggression
  • Sorge
  • Hass

Zu den drei am häufigsten unterdrückten zählen:

Wut ist ein sehr starkes Gefühl, das vermehrt in unangenehmen wahrgenommenen Situationen entsteht, zum Beispiel bei einem Angriff der Persönlichkeit. Sie hat zwei sehr bedeutsame Funktionen: Einerseits kann sie Angst bei unseren Mitmenschen erzeugen, wodurch diese die Situation wahlweise versuchen zu entspannen, Fliehen oder in Konfrontation treten. Andererseits wirkt Wut auch stimulierend, um uns selbst auf einen Konflikt vorzubereiten. Wenn Wut zugelassen wird, können körperliche Symptome wie eine Beschleunigung des Atems, Herzschlages oder Blutdruckes auftreten. Gerade Wut wird häufig unterdrückt, da sie in unserer heutigen Gesellschaft meist als unangemessen gilt. Dies ist gerade so problematisch, da sie auch ein entscheidender Anstoß für Veränderung und die Lösung von Konflikten sowie Problemen sein kann.

Trauer ist ein Gefühl des Schmerzes oder der Betroffenheit, das in Situationen entsteht, die wir nicht beeinflussen können. Häufig ist sie eine Reaktion auf ein tragisches Ereignis wie den Verlust eines geliebten Menschen, des Arbeitsplatzes oder Ablehnung. Grundsätzlich hilft Trauer beim Verarbeiten und ist notwendig, um Erlebnisse zu akzeptieren und eine Neuorientierung zu wagen. Physisch kann sie sich in Müdigkeit, Schlafstörungen, Appetit- und Kraftlosigkeit sowie allgemeinem Unwohlsein widerspiegeln.

Angst hilft Gefahren rechtzeitig zu erkennen und besitzt einen Schutzmechanismus. Durch sie fühlen wir uns gestresst, nervös und werden vorsichtiger sowie aufmerksamer. Grundsätzlich wird Angst durch Situationen ausgelöst, die als subjektiv bedrohlich eingestuft werden. Dies können etwa Prüfungen, ein Arztbesuch oder die Sorge um Mitmenschen sein. Angst bietet jedoch auch die Chance, uns aus unserer Komfortzone herauszubringen und uns mutig sein zu lassen. Sie bietet die Möglichkeit für Entwicklung und Neues zu tun. Körperlich zeigt sich Angst typischerweise in Angespanntheit, erhöhter Herzfrequenz und Schweißausbrüchen.

Warum unterdrückte Gefühle ein Problem darstellen

Gefühle zu unterdrücken ist zunächst einmal mit einem hohen Energieaufwand verbunden. Trägheit, Erschöpfung oder Müdigkeit treten schon ein, ohne dass eine Aktivität vorausgegangen ist. Vergleichbar ist dies mit einem luftgefüllten Ball, der immer wieder versucht wird unter Wasser zu drücken. Es funktioniert, benötigt jedoch ständige Aufmerksamkeit und Anstrengung. Trotz des hohen Energieaufwandes verschwinden Gefühle keineswegs, sie stauen sich über die Zeit an und drängen sich in Form von körperlichen Beschwerden (wie Bluthochdruck, Magenproblemen oder Herzerkrankungen), aber vor allem durch psychische Erkrankungen noch stärker wieder an die Oberfläche. Dort spiegeln sich unterdrückte Gefühle in Angstzuständen, Depressionen, einem Burnout oder Süchten wider.

Bei all den Krankheitsbildern, denen unterdrückte Gefühle zugrunde liegen, weiß die betroffene Person irgendwann gar nicht mehr, was sie fühlt. Das ist sehr schlecht, denn Gefühle sind das menschliche Navigationssystem, um zu wissen ob etwas gut oder schlecht für einen ist und steuern dementsprechend das Denken und auch Handeln. Es kann sich nicht mehr für Träume und Ziele eingesetzt werden und Konflikten wird aus dem Weg gegangen, um weitere negative Gefühle zu vermeiden. Dies wiederum erschwert das Führen von Beziehungen, die gerade von Gefühlen leben. Durch die permanente Anstrengung beobachten Betroffene ebenfalls, dass sie nicht ganz präsent sind und beispielsweise Gesprächen nicht mehr mit voller Aufmerksamkeit folgen können.

Das Verdrängen negativer Gefühle ist die eine Sache, die Gefahr dabei ist jedoch auch alle positiven Gefühle zu unterdrücken und auch diese nicht mehr fühlen zu können. Infolgedessen kann schnell ein Gefühl der Taubheit und Teilnahmslosigkeit am Leben sowie eine Isolation eintreten.

Wichtig: Viele Wissenschaftler sind sich einig, dass ca. 90 Prozent aller Krankheiten durch emotionale Altlasten entstehen. Diese Altlasten bestehen aus einem Bündel von Gefühlen, die eine Art Aufzeichnung der Vergangenheit im Nervensystem darstellen. Dadurch wird dem Unterbewusstsein suggeriert, es wäre den gleichen Umweltbedingungen wie damals ausgesetzt.

Hilfe zur Selbsthilfe – oder professionelle Unterstützung?

Die Verarbeitung der eigenen Gefühlswelt kann auf verschiedensten Wegen erfolgen. Die einen sprechen gerne über ihre Befindlichkeiten, die anderen powern sich lieber körperlich beim Sport aus. Ganz wichtig ist in jedem Fall, dass die Gefühle bewusst zugelassen und nicht bewertet werden. Folgende weitere Anregungen können vor dem Unterdrücken von Gefühlen schützen:

  • Gefühle von der Seele schreiben
  • Einen langen Spaziergang in der Natur machen
  • Gefühle rauslassen, wenn einem danach ist
  • Die Bedeutung von einem Gefühl reflektieren
  • Die Chance wahrnehmen aus einem Gefühl zu lernen und daran zu wachsen
  • Gefühle durch Entspannung bei Meditation und Yoga verarbeiten

Sich seinen Gefühlen zu stellen und sie zuzulassen bedeutet jedoch nicht, die Beherrschung zu verlieren. Gerade wenn man erst damit beginnt seine Gefühle anzuschauen und damit einen guten Umgang zu finden, ist äußerste Achtsamkeit gefordert. Findet sich im Bekanntenkreis niemand, dem sich anvertraut werden kann, gibt es eine Vielzahl an Selbsthilfegruppen, den sich angeschlossen werden kann. Sollte auch das keine Erleichterung verschaffen und der Alltag immer mehr Energie abverlangen als geben, ist es in jedem Fall ratsam sich professionelle Unterstützung bei einem Psychotherapeuten zu suchen.

Quellenangaben
  • Barnow, Sven; Reichenbacher, Christina: Gefühle Im Griff: Wozu man Emotionen braucht und wie man sie reguliert. Heidelberg, 2013.
  • Hansch, Dietmar: Erfolgreich gegen Depression und Angst. Heidelberg, 2021.
  • Lechner, Christina: Emotionsmanagement und Selbstregulation. Facharztjournal Clinicum (2017), Band 3.

Kategorien: Angststörungen

Vanessa Graßnickel
Chefärztin, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Vanessa Graßnickel
Dr. med. Vanessa Graßnickel ist eine anerkannte Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Nach langjähriger Tätigkeit als Oberärztin übernahm sie 2024 die Position als Chefärztin der LIMES Schlossklinik Fürstenhof in Bad Brückenau. Dr. Graßnickel spezialisiert sich auf verhaltenstherapeutisch basierte Behandlungen und Suchtmedizin, fundiert durch ihr Medizinstudium an der Ruhr-Universität Bochum und einer umfangreichen fachärztlichen Ausbildung an der Universitätsklinik für Psychiatrie in Bochum. In ihrer Rolle als Chefärztin verbindet Dr. Graßnickel modernste diagnostische und therapeutische Methoden mit einer empathischen, respektvollen Patientenbetreuung sowie maßgeschneiderten Therapieplänen.

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