Bruxismus: Stressverarbeitung durch nächtliches Zähneknirschen

Wie oft sind Sie schon morgens mit Kiefer- und Kopfschmerzen aufgewacht? Vielleicht haben Sie auch schon mal vor dem Spiegel gestanden und sich gefragt, warum Ihre Zähne abgenutzter aussehen als früher…All das müssen nicht, aber können Hinweise auf nächtliches Knirschen mit den Zähnen sein. Gerade wenn Sie auch sonst das Gefühl haben akut unter Stress zu stehen, lohnt es sich das Thema einmal näher zu beleuchten.

Zunächst einmal: Was ist Bruxismus?

Als Bruxismus wird eine Erkrankung bezeichnet, bei der Menschen unbewusst ihre Zähne zusammenpressen oder knirschen – meistens mit dem zehnfachen des normalen Kaudrucks. Es handelt sich um ein häufiges Phänomen, das sowohl tagsüber als auch nachts auftreten kann, jedoch gerade während des Schlafs besonders ausgeprägt ist. Viele Menschen sind sich nicht bewusst, dass sie an Bruxismus leiden, da es manchmal keine offensichtlichen Symptome gibt. Oft sind es Familienmitglieder oder Zahnärzte, die die ersten Anzeichen bemerken.

Wichtig: Bruxismus als solches wird nicht standardmäßig erfasst. Es ist jedoch bekannt, dass gerade die Altersgruppe zwischen 30 und 45 Jahren besonders häufig betroffen ist, zudem Frauen häufiger als Männer.

Symptom-Check: Den Blick schärfen für eine präzise Diagnose

Wie bereits erwähnt geschieht das Zähneknirschen häufig unbewusst und es gilt besonders aufmerksam zu sein um es zu erkennen. Sehr deutlich wird eine Betroffenheit, wenn mehrere der folgenden Symptome in Kombination mit Stress im Alltag auftreten – wobei natürlich auch unbewusste Faktoren belastend sein können:

  • Zähneknirschen oder Zähnepressen: Dies ist das offensichtlichste Symptom von Bruxismus, gekennzeichnet durch rhythmisches, unwillkürliches Aufeinanderpressen der Zähne, oft mit mahlenden, kauähnlichen Bewegungen.
  • Abgenutzte oder beschädigte Zähne: Das ständige Reiben und Pressen der Zähne kann zu übermäßigem Verschleiß führen. Die Zähne können flach geschliffen werden, Kanten können abbrechen und Risse auftreten.
  • Zahnschmerzen und Empfindlichkeit: Aufgrund des Drucks und der Reibung können die Zähne empfindlich auf Temperaturänderungen, Berührungen oder bestimmte Nahrungsmittel reagieren. Es kann zu allgemeinen Zahnschmerzen kommen, die nicht auf eine spezifische Verletzung zurückzuführen sind.
  • Kiefergelenkschmerzen: Das ständige Zusammenpressen der Kiefermuskulatur kann zu Schmerzen beim Kauen, Sprechen oder Gähnen führen.
  • Kopfschmerzen: Bruxismus kann Spannungskopfschmerzen verursachen, die sich oft als dumpfer, drückender Schmerz im Kopf oder in den Schläfen äußern.
  • Muskelverspannungen im Gesicht und Nacken: Die anhaltende Muskelaktivität im Kiefer- und Gesichtsbereich kann zu Verspannungen und Schmerzen in den umliegenden Muskeln führen. Dies kann sich als Gesichtsschmerz, Nackensteifigkeit oder allgemeines Unwohlsein im Kopf- und Nackenbereich manifestieren.

Warum knirschen wir überhaupt?

Wie bereits erwähnt spielt hier eine anhaltende Anspannung durch Stress eine bedeutsame Rolle, wobei  natürlich nicht jede Person, die gerade unter Stress steht auch unter Bruxismus leidet. Entscheidend ist hier wie lange der Stress bereits anhält und wie eine Person ihn verarbeitet – das Knirschen mit den Zähnen kann eine Option sein und auch auf eine unbewusste bzw. verdrängte Stressbelastung hinweisen. Auch im Rahmen psychischer Erkrankungen, wie einer Angststörung, Depressionen oder Zwangsstörung, tritt Bruxismus häufig auf. Hinzu kommen weitere begünstigende Faktoren wie eine abnormale Kieferausrichtung, welche zu einem Ungleichgewicht der Kiefermuskulatur und damit zu Druck auf den Zähnen führt. Ebenso stehen Schlafstörungen häufig in Verbindung mit nächtlichem Zähneknirschen, beispielsweise bei Menschen mit obstruktiver Schlafapnoe, bei der es zu wiederholten Atemaussetzern während des Schlafs kommt. Weiterhin können auch verschiedene Lifestyle-Faktoren wie der Konsum von Alkohol, Nikotin oder koffeinhaltigen Getränken das Nervensystem stimulieren und Zähneknirschen auslösen oder verschlimmern.

Warum auf jeden Fall gehandelt werden sollte!

Natürlich ist das Knirschen lästig, jedoch finden sich manche Betroffene damit ab öfters mit Verspannungen aufzuwachen und gegebenenfalls einfach eine Schmerztablette einzunehmen. Das ist grundsätzlich begleitend auch nicht verkehrt, jedoch behandelt es nicht die Ursache des Problems und birgt dauerhaft nicht nur das Risiko einer beschädigten Zahnoberfläche, sondern auch von abgebrochenen Zähnen, die einen Zahnersatz erfordern. Auch in Hinblick auf den Kiefer kann es unter Umständen zu vollständigen Blockaden kommen.

Was Sie konkret tun können

Wie so oft ist es ratsam eine Erkrankung mit mehreren Strategien gleichzeitig zu behandeln. Folgend finden Sie eine Übersicht von ratsamen Maßnahmen:

  1. Aufbiss- oder Knirscherschiene

Eine Aufbissschiene ist eine individuell angepasste Kunststoffschiene, die über den Zähnen einer oder beider Kieferhälften getragen wird. Sie schützt die Zähne vor direktem Kontakt und verringert den Druck und die Reibung. Die Schiene wird normalerweise nachts getragen, kann aber auch tagsüber verwendet werden, wenn das Zähneknirschen dort problematisch ist.

  1. Stressmanagement-Techniken

Da Stress eine der Hauptursachen für Bruxismus ist, kann die Anwendung von Stressmanagement-Techniken helfen, das Zähneknirschen zu reduzieren. Entspannungsübungen wie Meditation, Atemtechniken, Yoga oder autogenes Training können dazu beitragen diesen abzubauen und die Muskelspannung zu verringern.

  1. Psychotherapie

Wenn bekannt ist, dass gleichzeitig zum Knirschen und Pressen der Zähne auch eine psychische Erkrankung vorliegt, kann Psychotherapie sehr hilfreich sein. Professionelle Unterstützung kann zudem helfen die erwähnten Stressmanagement-Techniken zu erlernen und in den Alltag zu etablieren.

  1. Vermeidung von Stimulanzien

Die Reduzierung oder Vermeidung von stimulierenden Substanzen wie Koffein, Alkohol und Nikotin kann dazu beitragen Bruxismus zu verringern. Diese Substanzen können das Nervensystem stimulieren und das Zähneknirschen verstärken.

  1. Physikalische Therapie

Manchmal kann eine physikalische Therapie, mit beispielsweise Massagen, Wärmeanwendungen oder Muskeldehnübungen, helfen, die Verspannungen im Kiefer- und Gesichtsbereich zu reduzieren und die Symptome zu lindern.

  1. Behandlung von zugrunde liegenden Erkrankungen

Wenn Bruxismus aufgrund von Schlafstörungen oder einer abnormen Kieferausrichtung auftritt, ist es wichtig, die zugrunde liegende Erkrankung zu behandeln. Dies kann die Behandlung von Schlafapnoe, die Anpassung der Kieferposition durch Orthodontie, Kieferorthopädie oder andere zahnärztliche Behandlungen umfassen.

Alle genannten Maßnahmen können und sollten selbstverständlich auch präventiv angewandt werden. Zusätzlich ist eine gute Schlafhygiene mit einer entspannten Schlafumgebung, einem geregelten Schlaf-Wach-Zyklus und Vermeidung übermäßiger Stimulation vor dem Schlafengehen ratsam. Regelmäßige zahnärztliche Kontrollen können schlussendlich helfen eine Erkrankung frühzeitig zu erkennen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen um mögliche Schäden zu verhindern oder zu reduzieren.

Quellenangaben
  • Bundeszahnärztekammer: https://www.bzaek.de/service/positionen-statements/einzelansicht/bruxismus-als-risikofaktor-einer-craniomandibulaeren-dysfunktion-cmd.html, Abruf am 14.07.2023.
  • Koch, Christian: Schluss mit Zähneknirschen: Bruxismus überwinden. Die besten Strategien gegen Kopfschmerzen, Erschöpfung und Tinnitus. Hannover, 2020.
  • Liebscher-Bracht, Roland & Bracht, Petra: Kiefer & Zähneknirschen Schmerzen selbst behandeln. München, 2021.
Vanessa Graßnickel
Chefärztin, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Vanessa Graßnickel
Dr. med. Vanessa Graßnickel ist eine anerkannte Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Nach langjähriger Tätigkeit als Oberärztin übernahm sie 2024 die Position als Chefärztin der LIMES Schlossklinik Fürstenhof in Bad Brückenau. Dr. Graßnickel spezialisiert sich auf verhaltenstherapeutisch basierte Behandlungen und Suchtmedizin, fundiert durch ihr Medizinstudium an der Ruhr-Universität Bochum und einer umfangreichen fachärztlichen Ausbildung an der Universitätsklinik für Psychiatrie in Bochum. In ihrer Rolle als Chefärztin verbindet Dr. Graßnickel modernste diagnostische und therapeutische Methoden mit einer empathischen, respektvollen Patientenbetreuung sowie maßgeschneiderten Therapieplänen.

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