Mein Partner ist depressiv – Ich kann nicht mehr!

Eine Depression belastet häufig nicht nur die Betroffenen, sondern auch deren nahestehende Menschen. Wer mit einem depressiven Partner lebt, erlebt oft eine ständige emotionale Ausnahmesituation, begleitet von Hilflosigkeit, Erschöpfung und Schuldgefühlen. Ihr Partner ist depressiv und sie können nicht mehr? In diesem Artikel geht es um genau diese Perspektive: die der Angehörigen. Was können Sie tun, wenn Sie an Ihre Grenzen geraten? Wo finden Sie Entlastung? Und warum ist es wichtig, auch auf sich selbst zu achten?

Das Wichtigste vorab in Kürze

  • Zwiespalt zwischen Helfen und Selbstverlust:
    Der Wunsch zu helfen kann in Überforderung und Selbstaufgabe münden – oft unbemerkt.
  • Dauerhafte emotionale Belastung:
    Schuldgefühle, Hilflosigkeit und das Gefühl, funktionieren zu müssen, führen zu Erschöpfung.
  • Typische Beziehungsmuster verstärken die Krise:
    Überverantwortung, Kommunikationsabbrüche und emotionale Abhängigkeit destabilisieren die Partnerschaft.
  • Körperliche und psychische Warnzeichen bei Angehörigen:
    Schlafprobleme, Reizbarkeit, sozialer Rückzug – erste Anzeichen einer eigenen Überlastung.
  • Fehlende Unterstützung & Unsichtbarkeit im System:
    Angehörige geraten in den Hintergrund, obwohl auch sie professionelle Hilfe und Entlastung brauchen.

Definition: Depression

Depression ist eine ernsthafte psychische Erkrankung, die sich durch anhaltende Traurigkeit, Antriebslosigkeit und Interessenverlust äußert. Sie beeinträchtigt das Denken, Fühlen und Handeln und kann zu sozialem Rückzug führen. Neben dem Betroffenen selbst leidet oft auch das direkte Umfeld, insbesondere enge Bezugspersonen wie Partner, Familie oder Freunde, unter der schwierigen Situation.

Der Spagat zwischen helfen wollen und sich selbst verlieren

Wer einen depressiven Partner begleitet, möchte helfen. Sei es aus Liebe, aus Verantwortung, aus der Hoffnung heraus, gemeinsam durch die Krise zu kommen. Doch dieser Wunsch kann zur Überforderung führen. Die Grenzen zwischen Fürsorge und Selbstaufgabe verschwimmen. Viele Angehörige verlieren dabei den Blick auf das eigene Wohl, teilweise so weit, bis nichts mehr geht.

Angehörige werden oft vergessen

In der öffentlichen Diskussion stehen meist die Erkrankten im Fokus. Ihre Symptome, ihre Therapie, ihr Leid. Doch das soziale Umfeld leidet mit. Oft still und im Hintergrund. Partnerinnen und Partner von depressiv Erkrankten übernehmen emotionale Verantwortung, strukturieren den Alltag mit, verzichten auf eigene Bedürfnisse. Ihre Belastung bleibt jedoch häufig unbeachtet und damit unbehandelt.

Wenn die Depression des Partners zur Belastung wird

Depression verändert nicht nur die Stimmung des Betroffenen, sondern das gesamte Beziehungssystem. Was mit Geduld und Empathie beginnt, kann zur Dauerbelastung werden. Der nicht-depressive Partner erlebt, dass Gespräche ins Leere laufen, gemeinsame Pläne scheitern, Nähe kaum noch möglich ist. Dieses Ungleichgewicht zehrt sowohl emotional, körperlich als auch sozial.

 

Typische Dynamiken in der Beziehung

In Partnerschaften mit Depressionen entstehen oft einseitige Rollenverteilungen: Einer funktioniert, der andere zieht sich zurück. Es entstehen Muster wie:

  • Überverantwortung und Kontrollverhalten
  • emotionale Abhängigkeit
  • Schuldprojektionen („Deinetwegen geht es mir schlecht“)
  • Kommunikationsabbrüche

Solche Muster können die Beziehung zusätzlich belasten und langfristig destabilisieren – auch wenn sie aus Fürsorge entstehen.

 

Schuldgefühle, Hilflosigkeit & Überforderung – Ständige Begleiter im Alltag

Viele Angehörige kämpfen mit dem Gefühl, nicht genug zu tun. Wenn der Partner nicht aus dem Bett kommt, wenn Therapien nicht anschlagen oder Suizidgedanken geäußert werden, wächst der Druck. „Ich darf nicht scheitern“, „Ich muss stark sein“ – diese inneren Antreiber führen zu Daueranspannung und emotionaler Erschöpfung.

 

Verlust von Leichtigkeit und gemeinsamer Lebensfreude

Lachen, Ausflüge, spontane Unternehmungen – was Paarbeziehungen sonst trägt, fällt durch eine Depression schnell weg. Der depressive Partner zieht sich zurück, und gemeinsame Zeit verliert an Qualität. Für Angehörige entsteht ein Gefühl von Isolation, sowohl in der Beziehung als auch im sozialen Umfeld. Die Partnerschaft verändert sich oft , ohne dass beide das Gleiche empfinden.

Was Angehörige durchmachen

Die emotionale Belastung zieht oft einen Rattenschwanz körperlicher und psychischer Symptome nach sich: Appetitlosigkeit, Konzentrationsprobleme, sozialer Rückzug. Das Leben erscheint wie ein ständiges Aushalten. Gefühle wie Wut, Trauer oder Verzweiflung bleiben oft unausgesprochen, aus Angst, den depressiven Partner zusätzlich zu belasten.

 

Mentale und körperliche Erschöpfung

Wer dauerhaft für jemanden „mitträgt“, riskiert die eigene Gesundheit. Die ständige Alarmbereitschaft, emotionale Instabilität des Partners und das Gefühl, selbst funktionieren zu müssen, führen oft zu:

  • chronischer Erschöpfung
  • psychosomatischen Beschwerden
  • ständiger Anspannung

Diese Erschöpfung ist real und kein Zeichen von Schwäche.

 

Schlafprobleme, Reizbarkeit & Rückzug

Angehörige depressiver Menschen stehen oft dauerhaft unter Stress. Erste Warnsignale sollten ernst genommen werden:

  • Schlafprobleme: Ein- und Durchschlafstörungen durch ständige Gedanken und Sorgen
  • Reizbarkeit: Geringe Belastbarkeit, schnelle emotionale Reaktionen
  • Antriebslosigkeit: Kein Interesse mehr an Hobbys oder sozialen Kontakten
  • Emotionale Erschöpfung: Gefühl innerer Leere, fehlende Freude
  • Sozialer Rückzug: Gespräche werden vermieden, Isolation nimmt zu

Wer diese Anzeichen bei sich erkennt, sollte sich frühzeitig Unterstützung suchen, bevor die eigene Gesundheit leidet.

 

Risiko für eigene depressive Entwicklungen

Nicht selten entwickeln Angehörige nach einiger Zeit selbst depressive Symptome. Wenn emotionale Belastung über Monate oder Jahre anhält, steigt das Risiko für eine sogenannte reaktive Depression. Besonders gefährdet sind Menschen mit einem hohen Verantwortungsgefühl, wenig Unterstützung im Umfeld oder früheren traumatischen Erfahrungen.

Selbstfürsorge ist kein Egoismus!

Der häufigste Irrtum: Wer sich um sich selbst kümmert, lässt andere im Stich. Doch Selbstfürsorge ist keine Abwendung vom anderen, sondern die Voraussetzung, langfristig unterstützen zu können. Nur wer psychisch stabil bleibt, kann hilfreich begleiten. Selbstfürsorge schützt beide Seiten.

 

Warum es wichtig ist, auch auf sich selbst zu achten

Regelmäßige Pausen, eigene Interessen, soziale Kontakte, Bewegung, Schlaf – das sind keine Luxusbedürfnisse, sondern Grundvoraussetzungen psychischer Gesundheit. Auch Angehörige brauchen „Tankstellen“, um nicht auszubrennen. Es ist legitim, sich Zeit für sich selbst zu nehmen, auch oder gerade in schwierigen Phasen.

 

Grenzen setzen lernen

Eine der schwierigsten, aber wichtigsten Aufgaben: Klar zu sagen, was man leisten bzw. nicht leisten kann. Grenzen setzen heißt nicht, jemanden fallen zu lassen, sondern sich selbst zu schützen.

Beispiele für unterschiedliche Situationen:

  • „Ich kann dich unterstützen, aber ich übernehme nicht deine Verantwortung.“
  • „Ich höre dir zu, aber ich brauche auch Zeit für mich.“
  • „Ich bin für dich da, aber ich brauche Hilfe von außen.“

 

Welche Rolle spielt professionelle Unterstützung?

Angehörige sollten sich nicht scheuen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, unabhängig davon, ob der Partner bereit für Therapie ist. Denn: Sie haben ein eigenes Belastungserleben, das ebenso ernst genommen werden muss. Psychologische Beratung, Coaching oder Therapie können helfen, Abstand zu gewinnen, Kraft zu schöpfen und Handlungsspielräume zu erkennen.

Hilfe für beide Seiten

Ein guter Weg ist es, das Unterstützungsangebot auf beide Partner auszurichten – parallel und unabhängig. So wird klar: Auch Angehörige haben das Recht auf Begleitung und Schutz. Oft ergeben sich aus diesen Prozessen neue Perspektiven für die Beziehung – sei es zur Stabilisierung oder zur fairen Trennung.

 

Therapiemöglichkeiten für den depressiven Partner

Ob ambulante Psychotherapie, medikamentöse Behandlung oder stationärer Aufenthalt: Die Möglichkeiten zur Behandlung einer Depression sind vielfältig. Wichtig ist, dass der Betroffene selbst bereit ist, diesen Schritt zu gehen. Angehörige können motivieren, eine professionelle Unterstützung aber nicht ersetzen.

 

Beratungs- und Unterstützungsangebote für Angehörige

Zahlreiche Einrichtungen haben inzwischen erkannt, dass nicht nur Betroffene selbst, sondern auch ihr Umfeld Unterstützung braucht – emotional, organisatorisch und therapeutisch.

Die folgenden Angebote richten sich gezielt an Angehörige psychisch erkrankter Menschen und bieten konkrete Entlastung:

  • Psychosoziale Beratungsstellen:
    In vielen Städten und Regionen gibt es spezialisierte Beratungsstellen, die Angehörige über Krankheitsbilder, Bewältigungsstrategien und Entlastungsmöglichkeiten informieren. Oft sind diese Angebote kostenlos und niedrigschwellig zugänglich
  • Selbsthilfegruppen:
    Der Austausch mit anderen Angehörigen kann besonders heilsam sein. In Selbsthilfegruppen erleben viele zum ersten Mal, dass sie mit ihren Gefühlen nicht allein sind. Gemeinsames Verstehen, gegenseitige Unterstützung und alltagsnahe Tipps helfen, das eigene Gleichgewicht wiederzufinden.
  • Angehörigenzentrierte Angebote in Kliniken:
    Viele psychosomatische und psychiatrische Kliniken bieten strukturierte Informationsabende, Angehörigengespräche oder Wochenendseminare an. Ziel ist es, das Verständnis für die Erkrankung zu fördern und neue Kommunikationswege in der Partnerschaft zu entwickeln.
  • Onlineberatungen und telefonische Hotlines:
    Für Menschen, die wenig Zeit oder keinen Zugang zu lokalen Angeboten haben, bieten Onlineportale und telefonische Dienste eine flexible Möglichkeit zur Beratung – anonym und ortsunabhängig. Diese Angebote sind besonders hilfreich in akuten Belastungssituationen oder als erste Orientierungshilfe.

Diese Unterstützungsformen entlasten nicht nur kurzfristig, sondern fördern auch die langfristige psychische Stabilität von Angehörigen. Wer sich Hilfe holt, schützt nicht nur sich selbst – sondern auch die Beziehung zum depressiven Partner.

 

Paartherapie, Angehörigengruppen, Klinikaufenthalt als Entlastung für Angehörige

Wenn die Belastung besonders hoch ist oder die Beziehung stark leidet, können auch gemeinsame Maßnahmen helfen:

  • Paartherapie: fördert Kommunikation und stärkt Verständnis
  • Angehörigengruppen: ermöglichen Austausch mit Gleichbetroffenen
  • Klinikaufenthalt für Angehörige: z. B. in psychosomatischen Kliniken mit auf Angehörige zugeschnittenen Angeboten

Solche Settings bieten nicht nur Entlastung, sondern auch einen geschützten Raum zur Reflexion und Neuorientierung.

Fazit: Zwischen Mitgefühl und Selbstschutz – ein Balanceakt für Angehörige

Depression betrifft nicht nur die erkrankte Person, sondern immer auch das soziale Umfeld, besonders enge Partnerinnen und Partner. Der Wunsch zu helfen ist menschlich und nachvollziehbar, doch er darf nicht zur Selbstaufgabe führen. Wer dauerhaft über die eigenen Grenzen geht, riskiert die eigene psychische und körperliche Gesundheit.

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Kategorien: Depressionen

Dr. med. Rita Löw
Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. Rita Löw
Seit Februar 2025 ist Dr. med. Rita Löw Chefärztin der LIMES Schlossklinik Fürstenhof und bringt ihre Spezialisierung in psychosomatischer Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie ein. Zuvor war sie Oberärztin in einer psychosomatischen Rehabilitationsklinik und verfügt über langjährige Erfahrung in Neurologie, Psychiatrie sowie Zusatzqualifikationen wie Notfallmedizin und Sozialmedizin. Ihr Ziel ist eine ganzheitliche und individuelle Betreuung der Patienten, unterstützt durch wissenschaftliche Arbeiten und umfassende Expertise.